„Die Saat – Tödliche Macht“ mit Heino Ferch: Lohnt sich die ARD-Serie? – Review (2024)

Vermisstensuche trifft auf internationale Verschwörung

Rezension von R.L. Bonin – 08.12.2023, 15:45Uhr

„Die Saat – Tödliche Macht“ mit Heino Ferch: Lohnt sich die ARD-Serie? – Review (2)

Saatgut trifft auf Thriller: Im Mittelpunkt der neuen, deutsch-norwegischen Serie „Die Saat – Tödliche Macht“ steht Heino Ferch als hartnäckiger Kripo-Beamter auf der Suche nach seinem Neffen. Die Besonderheit: Verschwunden ist der Journalist beim Svalbard Global Seed Vault, der weltweit größten Lagerung internationalen Saatguts. Nimmt sich die ARD-Serie, die am 9. Dezember im Ersten Premiere feiert, zu viel vor? Oder gibt sie dem typisch-deutschen Krimi einen erfrischenden Twist?

Im Krimi- und Thriller-Genre findet sich nur noch selten origineller, noch nie dagewesener Stoff. Daher reicht meistens nur ein ungewöhnlicher Aspekt, um die gewöhnliche Handlung und die altbekannten Charaktertypen in neuem Licht erstrahlen zu lassen. Im Falle der Koproduktion der ARD und des norwegischen Senders NRK ist der internationale Seed Vault auf der Insel Spitzbergen Dreh- und Angelpunkt der gesamten Geschichte – doch reicht das, um als Thriller-Serie zu überzeugen?

„Die Saat – Tödliche Macht“: Darum geht es in der ARD-Serie

Nachdem Journalist und Umweltaktivist Victor Vegener (Jonathan Berlin) in den Svalbard Global Seed Vault eingebrochen ist, verschwindet er spurlos. Tage später reist sein Onkel, Polizeibeamter Max Grosz (Heino Ferch), in das norwegische Dorf, denn: Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Victor womöglich eine internationale Verschwörung von Saatgut-Konzernen aufdecken wollte. Die ansässige Polizistin Thea Koren (Ingrid Bolsø Berdal) unterstützt Max widerwillig bei seinen Ermittlungen. Währenddessen bemüht sich Lobbyist Jon Hoffmann (Rainer Bock), eine Übernahme durch das Saatgutunternehmen BSG bei EU-Kommissionsmitglied Jule Kornberg (Friederike Becht) durchzuboxen – koste es, was es wolle.

Eine Vermisstensuche offenbart internationale Intrigen – so könnte die Handlung des Öko-Politthrillers „Die Saat – Tödliche Macht“ in der Kürze lauten. Themen wie Kapitalismus, Welthunger, (internationale) Politik und natürlich Lobbyismus machen aus dem simplen Kriminalfall ein dicht verwobenes Netz aus Lüge, Verrat und Korruption. Und es funktioniert – zumindest teilweise.

Review: „Die Saat – Tödliche Macht“ bietet spannenden Einstieg

Setting und Thema werden von Beginn an visuell klar umgesetzt: Die Pilotfolge startet mit einem mystischen Panorama Norwegens – Nebel, Fjorde, ewiges Grau, genau wie man sich eben Norwegen klischeehaft vorstellt. Dazu wird appelliert, neben den vielen Weltkrisen den Kampf um Nahrung nicht außer Acht zu lassen – sowohl als Text-Einblendung als auch als Voice-Over.

Dem gegenüber steht die leuchtende Werbung des fiktiven, deutschen Saatgut-Konzerns BSG, welcher die eigenen Bemühungen um Nachhaltigkeit lobpreist – à la Greenwashing. Es bleibt kaum Zeit, dem Geschehen zu folgen: Victors Einbruch im Seed Vault wird im Wechselschnitt mit der Rede des charismatischen CEOs gezeigt. Hinzu kommen die unterschiedlichen POVs, von „normalen“ Kameraeinstellungen zu Übertragungen der Überwachungs- und Handykameras. Es passiert viel zu viel auf einmal – was nicht unbedingt ein Nachteil ist, da es Spannung und Tempo in die so wichtigen ersten Minuten der Auftaktfolge bringt.

„Die Saat – Tödliche Macht“-Kritik: Heino Ferch & Cast überzeugen – trotz vieler Klischees

Die Charaktereinführung von Heino Ferchs Figur Max Grosz scheint dem vorherigen Muster noch zu folgen: In einer actiongeladenen Szene wird er als kompetenter, wenn auch ruppiger Polizist präsentiert, der (wider Willen) als Ausbilder tätig ist und die alten Zeiten vermisst. Doch als Figur überrascht der stereotypische „grummelige“ Polizist nicht wirklich – genauso wenig wie seine zukünftige, norwegische Kollegin Thea.

Ingrid Bolsø Berdal glänzt in ihrer Darstellung der trauernden Frau, der man auf den ersten Blick ansieht, was – oder besser gesagt wen – sie verloren hat. Doch auch hier erfüllt Thea nur ein Klischee, das ihre Kompetenz als Polizistin stark in den Schatten stellt. Das ist mitunter auch der Grund, weshalb die Figuren erstmal aneinander anecken: Max hält die Ermittlungen der örtlichen Polizei – und damit Theas – für unprofessionell, da sie davon ausging, Victor habe die Insel verlassen. Arrogant, unfreundlich und aufgeblasen – genauso wie sich Max verhält, wird er auch als typisch deutsch tituliert. Schade, dass gerade eine europäische Produktion nicht versucht, mit solchen Klischees, die sonst gerne mal in internationalen Produktionen auftauchen, zu brechen.

Andererseits: Vielleicht geht das eine nicht ohne das andere. Für eine Verschwörung im großen Stil benötigt es viele Klischees – vom sexistischen, korrupten EU-Kommissar und seiner jungen, idealistischen Nachfolgerin bis hin zum skrupellosen Lobbyisten. Etwas schwammig, zumindest in den ersten zwei Folgen, erscheinen aber die damit einhergehenden persönlichen Verstrickungen zwischen den Figuren.

Da wäre die EU-Wettbewerbshüterin Kronberg (Friederike Becht), die offenbar eine Dreiecksbeziehung mit ihrem (Ex-)Mann – rein zufällig Autor eines Whistleblower-Buchs zu BSG – und einer weiteren EU-Kommissarin zu führen scheint. Oder Theas Ex, der ebenso „zufällig“ einer der wenigen Mitarbeitenden im Seed Vault ist. Was womöglich als Potenzial für Konflikt gedacht war, sorgt in den ersten Folgen mehr für Verwirrung als Drama.

Und bremst massiv die Spannung. Denn je komplexer die Materie wird, je tiefer die Figuren in das Geschehen verwickelt werden, desto langsamer und schleppender verläuft die Handlung. Dazu trägt vor allem der Dialog bei, der tendenziell eher zäh daherkommt und selten Neues offenbart. Gerade bei den beiden Ermittler-Figuren, die sich zu Beginn ja nicht riechen können, wären deutlich mehr Misstrauen und gegenseitige Nachforschungen berechtigt. Stattdessen offenbaren Thea und Max sich ihre Lebensgeschichten freiwillig – und dadurch ziemlich unspektakulär.

Auch entwicklungstechnisch hat sich nach Ende der zweiten Folge, und damit des ersten Serien-Drittels, kaum etwas getan: Alle Figuren pochen nach wie vor und zweifellos auf ihre Meinungen und Ziele. Wie und ob sich das womöglich in den weiteren Episoden ändert, bleibt abzuwarten.

Fazit zu „Die Saat“: Deutscher Krimi mit internationalem Flair

Mit Spielorten wie München, Brüssel und Spitzbergen kommt „Die Saat – Tödliche Macht“ deutlich internationaler daher als der typische, deutsche Krimi. Gleich zweimal wurde die Serie beim 62. Festival de Télévision Monte-Carlo mit dem Golden Nymph Award ausgezeichnet. Das Setting am Svalbard Global Seed Vault verleiht dem Thriller etwas Einzigartiges und Neues, was „Die Saat“ rein thematisch schon mal aus der Masse an Serienstarts herausstechen lässt.

Auch die gut gewählte und überzeugende Besetzung zahlt auf die hochwertige Qualität ein: Heino Ferch, Rainer Bock, Ingrid Bolsø Berdal und Friederike Becht erwecken die Hauptfiguren zum Leben und machen sie glaubwürdig. Dass es sich nicht um eine Mordermittlung, sondern Vermisstensuche handelt, bringt einen gewissen Zeitdruck ins Spiel. Zwar ist dieser in der Handlung (noch) nicht spürbar, aber es erweckt das Interesse, dranzubleiben – insbesondere, wenn die Vermutung besteht, dass Victor (noch) am Leben ist. Insofern bleibt es wohl Geschmackssache, ob diese positiven Aspekte überzogene Klischees und schleppende Dialoge in den Schatten stellen können. Einen Versuch ist es sicher wert.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Folgen von „Die Saat – Tödliche Macht“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Seit dem 1. Dezember stehen die Serie „Die Saat – Tödliche Macht“ in der ARD Mediathek zur Verfügung. Insgesamt umfasst die erste Staffel sechs Folgen. TV-Premiere feiert der Thriller am Samstag, den 9. Dezember um 20:15Uhr mit den ersten vier Episoden. Am Sonntag, den 10. Dezember folgen die letzten zwei. Produziert wurde „Die Saat – Tödliche Macht“ von der Odeon Fiction, ARD Degeto, NRK, Rein Film und MIA Film. Als Seriencreator- und Headautor fungiert Christian Jeltsch („Tatort“, „Polizeiruf 110“).

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